Leider wurde unser Vereinsmitglied Vesel im Oktober 2016 in den Kosovo abgeschoben. Völlig überraschend. Die Tageszeitung Neues Deutschland berichtete darüber:
“Es klingt nach einer unglaublichen Geschichte. […] Eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde sagte Marg, er solle fünf Minuten warten, dann werde er dazugeholt. Nach 20 Minuten informierte sie ihn, dass sich (sein Freund, Anm. RSB) Veseli bereits auf dem Weg nach Kosovo befinde. Das Unglaubliche: Der Asylbewerber hatte laut eigener Aussage zu keinem Zeitpunkt Post vom BAMF erhalten – weder eine Einladung zur Anhörung über seine Fluchtgründe noch die Entscheidung über die Ablehnung seines Asylgesuchs.”
Aktuell sind weitere Mitglieder von Abschiebung bedroht. Sie sollen gezwungen werden in Ihre Herunkftsländer zurück zu gehen, wo Sie mit viel Leid und Entbehrungen sich auf den Weg in ein friedliches, besseres Leben nach Berlin gemacht haben. Das ist unzumutbar.
Als Antwort darauf bitten wir nun unsere Mitglieder genau hinzuschauen und sich mit anderen Vereinsmitglieder zusammen zu schließen. Nur gemeinsam lassen sich solche Fehler, solche Widerlichkeiten des Lebens und der deutschen Gesetzgebung, bearbeiten.
Auch daher unterzeichnen wir gern einen offenen Brief an die Berliner Koalition:
Für einen wahren Paradigmenwechsel im Berliner Rathaus.
Wir fordern die neue Koalition dazu auf, einen Abschiebestopp in Berlin zu verwirklichen und sich für ein Bleiberecht ohne Wenn und Aber einzusetzen.
Im Koalitionsvertrag wird ein „Paradigmenwechsel“ in Bezug auf das Aufenthalts- und Asylrecht angekündigt, was wir zunächst begrüßen. Als konkrete Schritte werden jedoch lediglich die Stärkung der Härtefallkommission und der Einsatz für die Abschaffung von Abschiebehaft und -gewahrsam auf Bundesebene genannt.
Der im Koalitionsvertrag beschriebene sogenannte Paradigmenwechsel entpuppt sich daher bei genauerem Hinsehen als Sammlung kosmetischer Maßnahmen. Die Koalition will statt Abschiebungen auf angeblich „freiwillige Rückführungen“ setzen. Dies sind Abschiebungen in vermeintlich humanitärem Gewand: Sie werden lediglich durch ein Taschengeld an die Abgeschobenen kaschiert und dienen dazu, Druck auf die Betroffenen aufzubauen.
Ein Paradigmenwechsel, der Abschiebungen lediglich durch die verstärkte Förderung der sogenannten „unterstützten Rückkehr“ ersetzen möchte, ist keiner.
Wir fordern einen antirassistischen Politikwechsel!
Oft wird im Bereich des Aufenthalts- und Asylrechts von Seiten der Länder behauptet, ihnen seien rechtlich die Hände gebunden, und auf die Bundesebene verwiesen. Aber in Brandenburg gibt es seit kurzem einen Abschiebestopp für Opfer rechter Gewalt[1]. In Thüringen und Schleswig-Holstein beschlossen die Landesregierungen 2014[2] eine Aussetzung der Abschiebungen zumindest über den Winter. Dies könnten erste kleine, leicht zu machende Schritte in die Richtung eines wirklichen Politikwechsels sein. Im Berliner Vertrag finden wir dahingegen vor allem unverbindliche Versprechungen, die wie leere Neujahrsvorsätze klingen.
Der Berliner Koalitionsvertrag trägt den Slogan „Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen.“
Wir fordern eine Politik, die wirklich solidarisch und weltoffen ist! Das bedeutet für uns:
Abschiebungen aus Berlin sofort stoppen. Bleiberecht für alle neu angekommenen Berliner.
Die sich immer weiter verschärfende Trennung in Geflüchtete mit „guter“ und „schlechter“ Bleibeperspektive verurteilen wir. Wir stellen uns entschieden gegen die Kategorisierung von Menschen nach Nationalität, Fluchtgrund oder Verwertbarkeit. Wir fordern eine solidarische und unterschiedslose Aufnahme aller Geflüchteten.
Mit Entsetzen und Wut haben wir daher die Pläne der grünen Landesregierungen gelesen, der sich auch die Berliner Grünen angeschlossen haben, Abschiebungen in das durch den Krieg zerstörte Afghanistan durchführen zu wollen – laut der UN und des renommierten Global Peace Index auch 2016 wieder eines der gefährlichsten Länder der Welt[3]. Bei den großen Demonstrationen gegen Abschiebungen nach Afghanistan am Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2016 sowie am vergangenen Samstag hat die neue und alte Berliner Zivilgesellschaft bereits deutlich gemacht, was sie von diesen Plänen hält: Sie sind menschenverachtend und zynisch und geschehen nicht in unserem Namen. Wir wollen Bleiberecht und Bewegungsfreiheit für Alle. Unsere Solidarität ist unteilbar!
Auf Bundesebene fordern wir die Berliner Landesregierung dazu auf, alle ihre Kräfte zu nutzen, um sich gegen eine Verschärfung des Asylrechts und gegen die Ausweitung des Prinzips der sicheren Herkunftsstaaten auf weitere Länder einzusetzen sowie die geplante Beschleunigung von Abschiebungen zu verhindern. Die öffentliche Debatte um „Gefährder“, Terror und die innere Sicherheit Deutschlands darf nicht für eine Einschränkung der Rechte von Geflüchteten instrumentalisiert werden.
[1] Vgl. Süddeutsche Zeitung, 03.01.2017: „Brandenburg schafft Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt“; in: http://www.sueddeutsche.de/politik/asylpolitik-brandenburg-schafft-bleiberecht-fuer-opfer-rechter-gewalt-1.3320408.
[2] Vgl. n-tv, 09.12.2014: „Thüringer Regierung erlässt Abschiebestopp“; in: http://www.n-tv.de/politik/Thueringer-Regierung-erlaesst-Abschiebestopp-article14124806.html. Leider haben beide Landesregierungen 2015 diese Regelung aus fadenscheinigen Gründen wieder abgeschafft.
[3] UN OCHA (2016): Humanitarian Needs Overview: Afghanistan./ Global Peace Index (2016): Global Rankings.