Am 23. Juli versammelten sich rund zwei Dutzend Menschen, um symbolisch den Hindenburgdamm in „Gretel-Bergmann-Damm“ umzubenennen. Dies hat vor allem zwei historische Gründe:
- 1. Paul von Hindenburg war als hochrangiger Militär Hauptverantwortlichen für das Sterben von Millionen von Zivilisten und Soldaten im Ersten Weltkrieg. Er ist einer der Erfinder der »Dolchstoßlegende«, die die verheerende Niederlage der Reichswehr als Ergebnis des innenpolitischen »Verrats« der Republikaner denunzierte und den nationalistischen Kräften bei der Delegitimierung der Weimarer Republik den ideologischen Boden bereitete. Als Reichspräsident wurde er zum Steigbügelhalter der Nazis, unterzeichnete die ersten NS-Notverordnungen und das Ermächtigungsgesetz, betrieb am »Tag von Potsdam« am 21. März 1933 das Bündnis zwischen Nazis und Rechtskonservativen in der Garnisonkirche, ernannte Hitler zum Reichskanzler. Am 20. April 1933 – Hitlers Geburtstag – dankte ihm dies die Berliner Stadtverordnetenversammlung wegen seiner »Verdienste um die nationale Wiedergeburt der Stadt Berlin« – zeitgleich mit 4.000 anderen Städten und Gemeinden – mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde.
Die Kommunisten waren zu diesem Zeitpunkt schon verhaftet und in Gefängnisse und Konzentrationslager verschleppt worden, die sozialdemokratischen Stadtverordneten nahmen an der Abstimmung nicht teil.
Wir meinen: Hindenburg ist nicht einfach eine umstrittene historische Figur, sondern ein entscheidender Akteur bei der Zerschlagung der Weimarer Republik gewesen. Eine Würdigung im Stadtbild Berlins gebührt ihm nicht.
- 2. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde Gretel Bergmann im April 1933 aus ihrem Sportverein ausgeschlossen. Im gleichen Jahr ging sie daher nach England´, Übersprung 1,60cm und wurde 1934 britische Meisterin im Hochsprung. Die USA drohte den Boykott der Olympischen Spiele 1936 an sollten keine Juden im deutschen Team auftauchen. Da Gretel um die Unversehrtheit Ihrer Familie fürchtete folgte Sie der Berufung ins Olympische Team, trainierte eine Zeitlang mit und gewann am 28. Juni 1936 die Württembergischen Meisterschaften in Stuttgart. Als am 15. Juli 1936 die US-Sportler das Schiff in New York bestiegen, verließ am 16. Juli ein Brief an „Frl. Gretel Bergmann“ den Deutschen Reichsbund für Leibesübungen: „Sie werden aufgrund der in letzter Zeit gezeigten Leistungen wohl selbst nicht mit einer Aufstellung gerechnet haben.“ Bei ihrem letzten Wettkampf war sie 20 Zentimeter höher als die Zweitplatzierte gesprungen…
Sie reiste 1937 nach New York City, so schnell sie konnte; 10 Mark, 4 Dollar, durfte sie mitnehmen. Bruno kam nach, ihr Verlobter, bald ihr Ehemann, es war 1938. Bruno machte sein Examen in Amerika, Medizin, er durfte Staatsbürger werden, meldete sich am selben Tag zum Einsatz im Krieg gegen die Deutschen.
Antisemitismus ist in unserer heutigen Gesellschaft leider noch immer aktuell. Die jüngsten Übergriffe auf jüdische Sportler (1) und Einrichtungen (1, 2, 3, 4, 5, 6) sprechen davon Bände. Wir wollen das Gedenken an Gretel Bergmann aufrecht erhalten und damit ein Zeichen gegen Diskriminierung und Antisemitismus setzen.
Christian Torenz, Vorsitzender des Roten Stern Berlin 2012 eV, dazu:
Wir begrüßen die Initiative der Berliner Linkspartei den Hindenburgdamm in Gretel-Bergmann-Damm umzubenennen. Gerade vor dem Hintergrund des aktuell aufflammenden Antisemitismus ist es notwendig gegen jede Form des Antisemitismus offensiv Stellung zu beziehen.
Mitgeholfen und vor Ort waren Mitglieder des Ver.di-Landesbezirksvorstands, der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, der Linksjugend [’solid] Berlin und des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus. Juso-Landeschef Kevin Kühnert, der sich auch im Aufsichtsrat von Tennis Borussia gegen Rassismus engagiert, verwies auf die vielen vergessenen jüdischen Sportlerinnen und Sportler. Die Jusos Berlin hätten in Sachen Ehrenbürgerschaft Hindenburgs eine ganz klare Position: Hindenburg könne nicht als »umstritten« bezeichnet werden, seine historische Rolle verbiete seine Ehrung – als Ehrenbürger wie Namensträger öffentlicher Straßen.
Wir freuen uns über die gute Resonanz und die Teilnahme an der Aktion. Uns ist klar: das darf es nicht gewesen sein. Ob Hindenburg, Treitschke oder Einem – die Diskussion um das Erbe Berlins und seine historische Verpflichtung muss weitergehen. Deshalb werden wir auch weiterhin dafür sorgen, dass die schwarzen Kapitel unserer Geschichte nicht verdrängt, sondern offensiv aufgearbeitet werden.
Aus unserer Sicht ist es daher Berlins Verpflichtung, an die sportliche Leistung und die von den Nazis unterbundene Olympiateilnahme Gretel Bergmanns zu erinnern.
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Die Geschichte Gretel Bergmanns wurde verfilmt in dem Kinofilm „Berlin `36“
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