Archiv des Autors: AG Bildung

„Muskel- und Nervenjuden“ in der deutschen Geschichte

Bericht zur Veranstaltung am 13. November 2012 – Am gestrigen Dienstag kamen über ein Dutzend Menschen in der Galerie der Amadeu-Antonio-Stiftung zusammen, um dem Vortrag von Dipl. Michael Zantke über die jüdische Geschichte im deutschen Sport zu lauschen.

Der Vortrag, organisiert vom Roten Stern Berlin e.V., welcher im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus stattfand, bot einen sehr guten geschichtlichen Überblick ab Ende des 19. Jahrhunderts bis kurz nach dem Ende des Nationalsozialismus.

In seinem einstündigen Referat ging Zantke auf den militaristischen Aspekt der körperlichen Ertüchtigung ein, der in Anbetracht der damaligen Geschehnisse zu Beginn des 19. Jahrhunderts immer mitschwang, redete über bestimmte Ressentiments gegenüber jüdischen Deutschen, welche in der Gesellschaft recht weit verbreitet waren und selbst in der zionistischen Bewegung Anklang fanden. Zum Beispiel den Stereotyp des Nervenjuden, welcher zu Drogenabhängigkeit und psychischen Erkrankungen neige, und das Cliché des Muskeljuden, welcher, gestählt und körperlich wie geistig topfit den Gegenpol böte.

Ein Einblick in die Gestaltung der deutschen Sportlandschaft vom ersten bis zum zweiten Weltkrieg wurde geboten; die Aversion gegenüber dem Profi- und Vertragsspielertum kritisch beleuchtet, welches in Österreich und Ungarn bis zur deutschen Annexion recht verbreitet war, im deutschen Gebiet jedoch unter den Generalverdacht der “Verjudung” gesetzt und demzufolge geächtet wurde.

Erwähnt wurde weiterhin der Zusammenschluss verschiedenster jüdischer Gruppen zu Sportgruppen, sei es zur Zeit um 1920, als sich der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten gründete, welcher als Zielsetzung die Bekämpfung des Antisemitismus sah, sich jedoch, mahnend an die gefallenen jüdischen Frontsoldaten, in die deutsche Gesellschaft assimilieren wollten, oder zionistische Verbände, welche vor und nach 1920 die Wehrhaftigkeit des jüdischen Volkes stärken wollten. Besonderes Augenmerk wurde auch darauf gelegt, wie deutsche Vereine mit der Exklusion jüdischer Sportler per Dekret umgingen.

Wessen Interesse nun geweckt ist, freue sich, denn ein Mitschnitt der Veranstaltung findet sich auf der Website des Roten Stern Berlin 2012 e.V. – nämlich hier

PM: Erinnerung an jüdischen Sport in Deutschland

im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu-Antonio-Stiftung

Assimilation durch Muskelkraft

Aufgrund des antisemitischen deutschen Vernichtungswahns ist auf tragische Art und Weise vieles der jüdischen Geschichte in Deutschland zerstört worden. Es wurde versucht, Sportlerinnern und Sportler, Vereine, Sportstätten und vieles mehr in Gänze auszulöschen. Mit dieser Veranstaltung wollen wir ein wenig davon wieder aufleben lassen und uns in Erinnerung rufen, um dem Ausgrenzen und Vergessen vorzubeugen.“, so Christian Torenz, Vorsitzender des Roten Stern Berlins.

Im Zeitalter der Industrialisierung spielte Sport eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung sozialer Identitäten. Arbeiter und religiöse Gruppen begannen sich in Sportvereinen zu organisieren. Für die politisch weitgehend emanzipierten deutschen Juden des frühen zwanzigsten Jahrhunderts stellten Sportvereine einen möglichen Weg zur bis dahin weitgehend ausgebliebenen, gesellschaftlichen Emanzipation dar. So wurden einerseits jüdische Sportvereine gegründet, die den Zusammenhalt innerhalb der jüdischen Gemeinschaft stärken sollten. Andererseits waren jüdische Sportler zur Zeit der Weimarer Republik vor allem in nichtjüdischen Vereinen aktiv. Sport diente hier als Mittel der Assimilation an die sich herausbildende industrielle Massenkultur. Zahllose jüdische Sportlerkarrieren durchziehen die Geschichte der Weimarer Jahre, insbesondere im entstehenden Profi-Fußball. Dem „jüdischen Geist“ im deutschen und europäischen Sport setzten die Nationalsozialisten jedoch ein schnelles Ende.

Gesellschaftliche Assimilation im Sinne der vollen Anerkennung durch die nichtjüdische Gesellschaft wurde ihnen nur so lange zuteil, wie sie allen sichtbar sich als Ausnahmen von der Masse der Juden abhoben. Kaum war diese dunkle Masse erst einmal auch nur für wenige Jahre verschwunden, wurden aus unseren „Ausnahmejuden“ wieder ganz einfache Juden, nicht Ausnahmen, sondern eher Vertreter eines verachteten Volkes.” Hannah Arendt, 1951

Wann? 13. November 2012 um 18.30 Uhr

Wo? Galerie der Amadeu-Antonio-Stiftung, Linienstr. 139 in 10115 Berlin

Eine Veranstaltung des Roten Stern Berlin 2012 e.V.
www.roter-stern-berlin.com

Für Fragen stehe ich Ihnen jederzeit unter der 0176-64016785 zur Verfügung

Drei besondere Sportvereine stellen sich vor

Die drei Berliner Vereine Tennis Borussia, Türkiyemspor und Roter Stern Berlin stellten sich am 31.10.2012 im Weddinger Kulturzentrum KIKI SOL vor, um über ihre Besonderheiten zu berichten.

Es begann Robert von Türkiyemspor mit der Erläuterung der Entstehungsgeschichte als Verein türkischer Gastarbeiter, gegründet 1978 in Berlin-Kreuzberg. In der Vereinsgeschichte ginge es sportlich zum Teil sehr erfolgreich zu, so stieg man unentwegt bis in die höchsten Berliner Spielklassen und dann sogar in die bundesweiten Ligen auf. Neben den zahlreichen Fans und Unterstützern des Vereins gab es jedoch auch leider immer wieder Rückschläge und Probleme. Zwei große Schwierigkeiten sind bis heute geblieben: Auf der einen Seite gibt es immer wieder rechtsextreme und rassistische Anfeindungen gegenüber dem Verein, Funktionären und Spielern – auf der anderen Seite waren und sind viele Vereinsfunktionäre aus der türkischen Community und hatten und haben damit strukturelle Probleme bei der Platzbeantragung, der deutschen Vereinsmeierei und –organisation, was den Kreuzberger Verein immer wieder hinderte schnell weiter voranzukommen. Heute ist der Verein gelebte Akzeptanz im Kiez und schon lange finden nicht mehr nur türkische Arbeiter den Weg zu Türkiyemspor, sondern Menschen aus allen Facetten des gesellschaftlichen Lebens mit nahezu allen Lebensrealitäten. Neben dem Platz engagiert man sich in sozialen Initiativen, organisiert und beteiligt sich an Bündnissen gegen Homophobie und sammelt aktuell Geld, um einer drohenden Insolvenz zu entkommen.

Kevin von Tennis Borussia berichtete über die frühe Gründung als Tennis- und PingPong-Verein, welcher bereits im 2. Vereinsjahr eine Fußballabteilung erhielt, welche binnen kürzester Zeit zur stabilsten und erfolgreichsten Abteilung heranwuchs. Aufgrund einer überdurchschnittlichen Beteiligung jüdischer Spieler und die darauffolge Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der Vereinsmitglieder durch die Nationalsozialisten befand man sich jedoch bald in der Bedeutungslosigkeit. Erst nach den Kriegszeiten wuchs TeBe wieder zu einem der großen Vereine Berlins heran. Leider verpasste man immer in den entscheidenden Jahren den Anschluss an die höheren Ligen. Nebenbei erzählte Kevin spannende Anekdoten aus der nunmehr über 100-jährigen Vereinsgeschichte. Beispielsweise wie der ehemalige jüdische Präsident Hans Rosenthal sich vorstellte, dass sich Hitler im Grabe umdreht, da er in der Führerloge des Olympiastadions saß. Aktuell sind die „Pfeilchen“ (aufgrund der Vereinsfarben lila-weiß) in der Berliner Oberliga anzutreffen und bringen seit einiger Zeit die eigene Kampagne „Fußballfans gegen Homophobie“ voran und in die Stadien quer durch Europa.

Der jüngste Verein in der Vorstellungsrunde, der Rote Stern Berlin 2012, gründete sich erst im April diesen Jahres, da einige Mitglieder eines anderen Roten Stern Vereins dort nicht mehr sonderlich glücklich waren. Ein weiterer Grund war die Fokussierung auf Denksportarten wie zum Beispiel Schach, Skat und Backgammon und die Arbeit im Weddinger Kiez mit zahlreichen Jugendlichen aus sozial- und strukturschwachen Familien. Darüber hinaus organisierte der Verein sportpolitische Veranstaltungen, zum Beispiel mit dem kleinsten Schiedsrichter Deutschlands, um über diverse Formen von Diskriminierung zu aufzuklären. Als nächstes folgt eine Veranstaltung zur jüdischen Geschichte im deutschen Sport, sowie Film- und Hörspielabende zu ausgesuchten Werken. Aktuell werden u.a. die Kampagnen „love sports – hate neonazism“ und das „Bündnis Mitte gegen Rassismus“ unterstützt.

Nach der Eigenvorstellung der Vereine wurde in eine offene Diskussions- und Fragerunde eingestiegen. Eröffnet wurde diese mit der Frage nach anderen ähnlichen Vereinen in der Bundesrepublik. Tennis Borussia ist einzigartig in Deutschland – und bislang gibt es keinen anderen Verein, der sich ähnlich nennt und ein ähnlich breites Angebot und Engagement an den Tag legt. Von Türkiyemspor gibt es mehrere gleichnamige Vereine verteilt in der gesamten Republik. Aktuell bestehen Bestrebungen, sich mit einem Türkiyemspor–Verein in Nordholland wieder fester auszutauschen. Der Rote Stern berichtete, dass noch mind. 24 weitere Rote Stern Vereinigungen bestehen welche sich durch vollkommen unterschiedliche Ausrichtungen und ganz unterschiedliches politisches Engagement definieren.

Ein Kernthema, welches alle drei Vereine für unheimlich wichtig befinden, ist aktive Arbeit gegen Diskriminierung und eintreten für gemeinsamen Spaß am Spiel, unabhängig von Herkunft, Ethnie, Religion, Sexualität. Manche nennen dies „Integration“, wobei hier Türkiyemspor dafür eintrat, nicht von Integration zu sprechen, da damit in der Mehrheitsgesellschaft nahezu immer Assimilation gemeint wird, ein Anpassen an eine, wie auch immer geartete „Deutsche Kultur“; es jedoch vielmehr um ein Zusammenspiel verschiedener Mentalitäten gehen sollte, eine Synergie.
Abschließend lässt sich sagen, dass alle drei Vereine eine erhöhte Daseinsberechtigung haben und sie sich aktiv in die sportpolitischen und gesellschaftlichen Konstellationen einbringen, um den Fußball diskriminierungsfreier zu gestalten.

Quelle haolam

Unterstützung des Bündnis Mitte gegen Rasissmus

Das “Bündnis Mitte gegen Rassismus” hat sich gegründet um menschenverachtende Aktivitäten und Gedanken im Berliner Bezirk Mitte entgegenzutreten. Nicht einmal, nicht zweimal sondern dauerhaft.
Das höchste Ziel des Roten Stern Berlin ist es Menschen Sport zu ermöglichen ohne dabei diskriminiert zu werden. Nicht einmal, nicht zweimal sondern dauerhaft. Menschenverachtendes und diskriminierendes Verhalten beeinträchtigen friedliches und solidarisches Zusammenleben und ermöglicht kein angstfreien Raum zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Traurig ist jedoch nicht nur das Vorhandensein von extrem Rechten Parteien oder Organisationen sondern vor allem rassistisches, antisemitisches und neonazistisches Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft, getragen und weiter verbreitet von “normalen Bürgern”.
Wir freuen uns gemeinsam mit den Bündnispartnern geschlossen dagegen vorgehen zu können und nachhaltig in die Gesellschaft zu wirken.”

Erwin Schulz – Arbeiter-Sportler und antifaschistischer Widerstandskämpfer

Am 13. Oktober 1912 als Sohn eines Schlossers in Tempelhof geboren, erlebte Erwin Schulz als Kind den Hunger der Kriegs- und Nachkriegsjahre. 1922 meldeten ihn seine Eltern beim Arbeitersportverein Fichte an. In der Abteilung Tempelhof turnte er und spielte später auch Handball, zusammen mit anderen Proletariern, als Erholung von der Arbeit oder auch vom erzwungenen Nichtstun. Nach der Spaltung des Arbeitersports gehörte der Verein zur KPD-nahen Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit (KG).
Im März 1933 wurde der ASV Fichte verboten, Erwin Schulz trat mit vielen anderen zum MTV Tempelhof über, wo man sich weiterhin legal treffen konnte. Als er sich zum illegalen Widerstand entschloss, verbrannte er aus Vorsicht alle Fotos, die ihn mit seinem alten Sportgenossen zeigten. An einem geheimen Treffpunkt in Kreuzberg nahm er von Erich Rochler, bis 1933 KG-Landesleitung, illegales Material zur Verteilung entgegen. Nachdem ein KPD-Instrukteur unter Folter seinen Namen verraten hatte, wurde Erwin Schulz verhaftet und im September 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Luckau und in den Moorlager Birgermoor, Esterwege und Aschendorf verbrachte.
1942 folgte seine Einziehung zur Strafdivision 999. In Afrika gelang ihm ein Jahr später die Desertation. 1947 kehrte er aus britischer und US-amerikanischer Gefangenschaftnach Berlin zurück. Seit den frühen 60er Jahren und bis zur Rente arbeitete er in der schwedischen Vertretung des Reisebüros der DDR.
In der Nacht vom 11. zum 12. September 2012 starb Erwin Schulz, einen Monat vor seinem 100sten Geburtstag. Mit ihm ging ein Zeuge des vergangenen Jahrhunderts und einer der letzten Berliner Arbeitersportler von uns.

Deutschlands kleinster Schiedsrichter misst 1,38 m

Cem Yazirlioglu ist klein von Statur, hat aber große Autorität. Dass er in der Kreisliga eingesetzt wird, genügt ihm nicht: “Ich bin extrem ehrgeizig und will Regionalliga oder Oberliga pfeifen.”

Eine echte Hilfe sind Eckfahnen im Fußball ja nicht. Gut, sie sind ganz nützlich, wenn der Schiedsrichter nicht recht weiß, ob er nun Ecke oder Einwurf geben soll. Aber sonst? Stehen sie im Weg rum und sind eine Gefahr, wenn ein oder mehrere Spieler angerauscht kommen. Daher verfügen neueste Modelle sogar über eine hypermoderne Knicktechnologie. Rennt einer dagegen, rennt die Fahne quasi weg.

Warum wir Ihnen das erzählen? Nun ja, weil es neuerdings doch noch eine weitere praktische Verwendung für die Eckfahne gibt. Solch ein Begrenzungspfahl ist nämlich wie so ziemlich alles in diesem Land genormt. 1,50 Meter soll er groß sein, was übrigens genau die Höhe ist, die zwei Sorten Männer voneinander trennt: normalkleinwüchsige und extremkleinwüchsige. Cem Yazirlioglu ist letzteres, er misst 1,38 Meter.

“Ich hänge schon seit drei Jahren in der Kreisliga fest”

Trotz kleiner Statur traut er sich Wochenende für Wochenende zwischen große teils aufgebrachte oder wütende Männer. Der Berliner ist der kleinste Fußballschiedsrichter Deutschlands. Da er es als solcher zu einiger Prominenz gebracht hat, kommen von Zeit zu Zeit Fotografen vorbei und stellen ihn zwecks Größenerkennung – richtig – neben eine Eckfahne.

Yazirlioglu macht das Spiel mit. Er ist selbstbewusst, steht gern im Mittelpunkt und hat als Schiedsrichter noch einiges vor. “Ich hänge jetzt schon drei Jahre in der Kreisliga fest. Ich bin extrem ehrgeizig und will Regionalliga oder Oberliga pfeifen”, sagte der 24-Jährige, der sich an die neugierigen Blicke längst gewöhnt hat.

Manche Mitbürger treiben es aber zu bunt: “Wenn Leute zu penetrant gucken, frage ich sie schon mal, ob sie ein Foto machen wollen.” In diesem Fall stellt sich Yazirlioglu übrigens nicht lächelnd an die Eckfahne.

Quelle Welt Online